Der Atem des Pferdes unter dem Mikroskop – was verrät die Schleimanalyse?

Jeder von uns kennt es: Das eigene Pferd hustet, wirkt schlapp oder ist bei der Arbeit nicht mehr so leistungsfähig wie früher. Wir probieren Tees, Sirups und hoffen auf Besserung. Doch was, wenn die Ursache tiefer liegt – tief in der Lunge unseres vierbeinigen Freundes? Manchmal müssen wir genauer hinsehen, um zu verstehen, was wirklich los ist. Eine der präzisesten Methoden dafür ist die Bronchoalveoläre Lavage, kurz BAL. Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht. Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick durch das Mikroskop werfen.

 

Was ist eine Bronchoalveoläre Lavage (BAL) eigentlich?

Stellen Sie sich die BAL als eine Art "Lungenspülung" für diagnostische Zwecke vor. Es ist ein tierärztliches Verfahren, das uns einen direkten Einblick in die kleinsten Atemwege, die Alveolen (Lungenbläschen), ermöglicht. Genau dort, wo der lebenswichtige Gasaustausch stattfindet und wo sich bei Atemwegserkrankungen wie dem Equinen Asthma Entzündungen abspielen. Ein einfacher Abstrich aus der Nase oder eine Blutanalyse können uns diese spezifischen Informationen nicht liefern. Die BAL ist der Goldstandard, um die Zellen und Sekrete direkt vom "Ort des Geschehens" zu gewinnen.

 

Wie läuft die Untersuchung ab? Keine Angst, es ist ein Routineeingriff!

Viele Besitzer machen sich Sorgen, wenn sie von einem "Eingriff" hören. Doch die BAL ist ein etabliertes und für das Pferd gut verträgliches Verfahren. In der Regel wird das Pferd leicht sediert, damit es entspannt bleibt. Der Tierarzt führt dann einen dünnen, flexiblen Schlauch (ein Endoskop) durch eine Nüster bis tief in einen Lungenabschnitt.

Durch diesen Schlauch wird eine kleine Menge sterile Kochsalzlösung in die Lunge gespült und sofort wieder abgesaugt. Diese zurückgewonnene Flüssigkeit – die Lavage – enthält nun ein wertvolles Gemisch aus Schleim und den Zellen, die sich in den tiefen Atemwegen befinden. Das Ganze dauert meist nur wenige Minuten und die meisten Pferde stecken es problemlos weg.

 

Die Analyse im Labor: Was die Zellen uns verraten

Die gewonnene Flüssigkeitsprobe ist nun der Schlüssel zur Diagnose. Sie wird in ein spezialisiertes Labor geschickt und zytologisch untersucht. Das bedeutet, ein Experte zählt und identifiziert die verschiedenen Zelltypen unter dem Mikroskop. Und hier wird es richtig spannend, denn die Zusammensetzung dieses "Zell-Cocktails" erzählt eine genaue Geschichte über den Gesundheitszustand der Lunge:

  • Makrophagen: Das sind die "Putz- und Fresszellen" der Lunge. Ihre Aufgabe ist es, Staub, Pollen und andere Fremdkörper zu beseitigen. In einer gesunden Lunge machen sie den bei weitem größten Anteil der Zellen aus (über 60%). Sie sind die unermüdliche Reinigungskolonne.

  • Neutrophile: Diese Zellen sind die "Ersthelfer" des Immunsystems bei Entzündungen. Findet man eine deutlich erhöhte Anzahl von Neutrophilen (normal sind unter 5-10%), ist das ein klares Alarmsignal für eine aktive Entzündung. Ein sehr hoher Anteil ist typisch für das schwere Equine Asthma (früher als RAO oder Dämpfigkeit bekannt).

  • Mastzellen: Sie spielen eine zentrale Rolle bei allergischen Reaktionen. Sind ihre Werte erhöht (normalerweise unter 2%), deutet das oft auf eine mildere Form des Equinen Asthmas hin, die stark durch Allergene wie Schimmelpilzsporen im Heu oder Staub ausgelöst wird.

  • Eosinophile: Auch diese Zellen sind Teil der allergischen Abwehr. Ein Anstieg kann ebenfalls auf eine allergische Komponente hinweisen, ähnlich wie bei den Mastzellen.

Vom Befund zur gezielten Therapie

Was bedeutet das nun für Sie als Besitzer? Ganz einfach: Die Ergebnisse der BAL ermöglichen Ihrem Tierarzt, eine präzise Diagnose zu stellen. Statt nur "irgendwas mit Husten" zu behandeln, wissen wir nun genau, was in der Lunge passiert.

  • Hohe Neutrophilen-Zahl? Wir haben es mit einer starken Entzündung zu tun. Hier sind entzündungshemmende Medikamente, oft über einen Inhalator verabreicht, und eine radikale Verbesserung der Stallhygiene (Staub- und Ammoniakreduktion) der richtige Weg.
  • Hohe Mastzellen-Zahl? Der Fokus liegt auf einer allergischen Reaktion. Neben der Entzündungsbehandlung ist das Management der Allergene entscheidend: Heu bedampfen oder wässern, staubarme Einstreu verwenden und für maximale Frischluftzufuhr sorgen.

 

Die BAL nimmt uns das Raten ab und gibt uns einen klaren Fahrplan. Sie hilft, die richtige Behandlung zu wählen, unnötige Medikamente (wie Antibiotika bei einer nicht-bakteriellen Entzündung) zu vermeiden und den Erfolg der Therapie zu kontrollieren.

 

Wenn Ihr Pferd also Anzeichen einer Atemwegsproblematik zeigt, sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt über die diagnostischen Möglichkeiten. Ein genauer Blick in die Lunge durch eine BAL kann der erste und wichtigste Schritt zu einem freien Atem und einem gesunden, leistungsbereiten Pferd sein.